1.7.1 Liquiditätsfalle

Eine Situation, in der der Markt nicht wie gewohnt funktioniert, ist die so genannte Liquiditätsfalle. Hier ist der Zins so niedrig, dass eine Ausweitung der Geldmenge durch Zinssenkungen nicht möglich ist. Die Graphik veranschaulicht dies im IS-LM Modell. In der normalen Situation ist im Gleichgewicht GG (Schnittpunkt IS und LM) die LM-Kurve steigend. In der Liquiditätsfalle schneidet sich IS und LM-Kurve hingegen an einer flachen Stelle der LM-Kurve. Diese Situation kann eintreten, wenn beispielsweise

- aufgrund einer Krise (z.B. Konjunktureinbruch, Nachlassen der Binnennachfrage, Nachlassen der Exportnachfrage, Sparen des Staates, Austeritätspolitik, …) die IS-Kurve so weit nach links verschoben wird oder

- aufgrund sehr expansiver Geldpolitik (z.B. zur Abwendung einer Wirtschaftskrise, etc.) die LM-Kurve so weit nach rechts verschoben wird.

Wird die Verschiebung durch eine expansive Geldpolitik verursacht, so endet sie, sobald der Schnittpunkt den flachen Teil der LM-Kurve erreicht hat, in der Regel wenn der Zins 0 ist. Um die Geldmenge hier noch weiter zu erhöhen müssen außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen werden: „Quantitative Easing“.

Erstmalig ökonomisch analysiert und benannt wurde dieses Phänomen von John Maynard Keynes, der als Liquiditätsfalle den Zustand der Ökonomie beschrieb, bei dem eine Geldmengenausweitung nicht zu einer Zinssenkung führt, also die Kausalität von Zins und Geldmenge invers betrachtet wird. Keynes stellt hier eine Volkswirtschaft in einem Unterbeschäftigungsgleichgewicht dar und bildet die Situation zwischen den Weltkriegen ab. In dieser propagiert er dann expansive Fiskal- und Geldpolitik ohne Crowding-Out oder Zinsanstiegseffekte (Investitionsrückgang) fürchten zu müssen. Vielmehr fungieren derartige fiskalpolitische Maßnahmen als Initialzündung, da sie dank des Multiplikatoreffekts eine große Wirkung haben, während die geldpolitischen in der Liquiditätsfalle verpuffen.

Theoretische Darstellung
In neueren Lehrbüchern wird die Liquiditätsfalle als Situation mit unendlich zinselastischer Geldnachfrage beschrieben. Jedes zusätzliche Geldangebot wird nachgefragt und in der sogenannten Spekualtionskasse gehalten. Die Geldmengensteigerung wird also im Wirtschaftskreislauf nicht wirksam. Weder verkonsumieren die Wirtschaftssubjekte die zusätzliche Liquidität (es hat ja kein Vermögenstransfer stattgefunden, sondern nur eine Bereitstellung von Krediten durch die Zentralbank) noch investieren sie es, da sie bei mit steigendem Zins mit Kursverlusten der festverzinslichen Wertpapiere rechnen müssen und diesem Kursverlustrisiko keine Zinseinnahmen gegenüberstehen.
Praktische Relevanz
Während in der theoretischen Analyse eine vollständige Aufnahme eines beliebig hohen Geldangebotes in die Spekulationskasse postuliert wird, sind dem in der Realität Grenzen gesetzt. Zum einen sind selbst bei einem Zinssatz von 0 keine beliebig hohen Aufnahmen an Basisgeld von der Zentralbank möglich, da die Banken Sicherheiten hinterlegen müssen. Die Höhe der verfügbaren Sicherheiten begrenzt somit die Menge des nachgefragten Geldes und nicht wie sonst üblich der Zins. Zum anderen sind in der Realität die Zinsen in der Regel nicht ganz bei 0, sondern noch minimal positiv (Beispielsweise der TLTRO der EZB vom September und Dezember 2014 mit 0,15% auf 4 Jahre). Somit wäre eine Aufnahme von Zentralbankgeld ohne gewinnbringende Anlagemöglichkeit für eine Geschäftsbank unrentabel.


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Prof. Dr. Christian Bauer, Lehrstuhl für monetäre Ökonomik, Universität Trier, D-54296 Trier, E-mail: bauer@uni-trier.de