1.4.3 Der kombinierte Einsatz von Geld- und Fiskalpolitik

Bisher wurden die Geld- und die Fiskalpolitik getrennt voneinander analysiert, um die Wirkungsweisen beider Politikmaßnahmen einzeln zu zeigen. Setzt man jedoch Geld- und Fiskalpolitik kombiniert ein, spricht man von einem Politik-Mix, der dazu dienen soll, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Manchmal ergibt sich der kombinierte Einsatz von Geld- und Fiskalpolitik aus Spannungen oder sogar aus Konflikten zwischen der Regierung, die für die Fiskalpolitik verantwortlich ist, und der Zentralbank, die die Geldpolitik steuert. Ein typisches Szenario ergibt sich, wenn die Zentralbank eine expansive Fiskalpolitik für gefährlich für die Preisentwicklung hält und deshalb mit einer kontraktiven Geldpolitik gegensteuert. Ein Beispiel hierfür ist Deutschland nach der Wiedervereinigung zu Beginn der 90er Jahre:
Nach dem Mauerfall kam es 1990 zur Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland, die vor dem zweiten Weltkrieg beide ungefähr den gleichen Entwicklungsstand aufweisen konnten. Nach der Wiedervereinigung jedoch war Westdeutschland um einiges reicher und produktiver als der Osten Deutschlands, welcher überhaupt nicht wettbewerbsfähig war. Viele im Osten angesiedelte Unternehmen waren gezwungen zu schließen oder benötigten dringend neue Produktionsanlagen. Es kam zu einer deutlichen Erhöhung der Staatsausgaben, denn es wurden Gelder für Subventionen von Unternehmen, Sozialleistungen für Arbeitslose, neue Infrastruktur und die Beseitigung von Umweltschäden benötigt. Ein Teil der erhöhten Staatsausgaben sollte mit einer Steuererhöhung finanziert werden, der größere Teil aber über eine Erhöhung des Budgetdefizites. Durch die Wiedervereinigung stieg die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stark an. Es kam also zu einem starken Anstieg der Staatsausgaben und der Investitionen, was im IS-LM-Modell eine starke Rechtsverschiebung der IS-Kurve nach sich zieht, hervorgerufen durch eine expansive Fiskalpolitik. Das neue Gleichgewicht von Geld- und Finanzmärkten und dem Gütermarkt liegt im Punkt mit dem Gleichgewichtszinssatz ß und dem Gleichgewichtseinkommen .
Die Bundesbank fürchtete jedoch daraufhin, dass das Wachstum so hoch sei, dass Preisauftriebstendenzen entstünden und dies zu einer Inflation führen würde. Dem sollte mit einer kontraktiven Geldpolitik entgegengewirkt werden. Die LM-Kurve verschiebt sich nach oben und das neue Gleichgewichtseinkommen verschiebt sich wieder zurück während der neue Gleichgewichtszinssatz ß weiter steigt. Der neue Gleichgewichtszinssatz ist höher als der Zinssatz, der bei einer ausschließlichen Verschiebung der IS-Kurve erreicht worden wäre und das neue Gleichgewichtseinkommen niedriger. Die Unabhängigkeit der Zentralbank erlaubte ihr, ein anderes Ziel (Preisniveaustabilität) zu verfolgen, als das Ziel der Regierung (Wirtschaftswachstum).
Wirken beide Politikinstrumente zusammen, so kann die Geldpolitik allerdings auch die Fiskalpolitik unterstützen, ohne dass der Zinssatz steigt. Ein Beispiel wären die aktuellen Konjunkturprogramme (Steigerung der Staatsausgaben) bei lockerer Geldpolitik. Erhöht man gleichzeitig die Regler für Geldmenge und Staatsausgaben, so steigt das BIP stark an während sich der Zins kaum ändert.


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